Neue Zahlen zu Schnelladesäulen…

Mein erster Newsletter zu diesem Thema entstand eher aus Jux und Dollerei und vor dem Hintergrund, dass ich nicht einfach nur plump Werbung für mein Seminar bei der bft-Akademie machen wollte. Viel wurde und wird über die Entwicklung der Elektromobilität in Deutschland gesagt und geschrieben. Nicht alles ist richtig, nicht alles ist wichtig, manches ist von Angst vor Veränderung getrieben, manches verklärt als Rettung des Planeten. Abseits aller Ideologien lässt sich jedoch festhalten, dass sich gerade wahnsinnig viel in diesem Sektor tut. Anders als beim Thema Wasserstoff ist hier eine Dynamik vorhanden, die aufhorchen lässt. Brennstoffzellen-PKWs sind ja bei allen Vorschusslorbeeren nie aus den Startblöcken gekommen, obwohl die Tankstellenbranche und der Bund viel Geld in die Infrastruktur gesteckt haben.

6 Monate nach den letzten Zahlen gibt es nun (mit dem gebührenden statistischen Nachlauf) quasi als Abgesang zum insgesamt unschönen Jahr 2023 Auswertungen zum Aufbau von Schnellladenetzen zu berichten.

Auf den ersten Blick schaut man in die Tabelle und denkt sich: „Ach, alles beim Alten, was soll schon groß passiert sein in der kurzen Zeit?“ Und dann stutzt man und sieht, dass hinter den Platzhirschen etliches in Bewegung gekommen ist. Scheinen die ersten 5 Plätze zementiert, schiebt sich nun ein regionaler Anbieter, die Pfalzwerke, auf Platz 6 vor und direkt dahinter taucht ein Mineralölkonzern (darf man das eigentlich noch sagen?) auf, der noch in der letzten Auswertung knapp aus den Top 10 gefallen war. Dank massiver Ausbauleistungen ist Shell ganze 4 Plätze nach oben geklettert. Nun ist das schnelle Bauen in Zeiten von Inflation, Bürokratie, Fachkräftemangel und immer noch anhaltenden Lieferkettenthematiken nicht einfacher geworden. Umso mehr ist die Energieleistung zu würdigen, die offensichtlich Tag für Tag draußen erbracht wird – haben doch allein die Top 10 in diesem Sommer über 1.350 Schnellladepunkte errichtet. Insgesamt ist das Netz um knapp 20% oder über 2.200 Schnellladepunkte gewachsen – wohlgemerkt vom 1. März bis 1. Juli.

Sozusagen mit „Deutschlandtempo“ wächst auch die Kapazität der Ladesäulen. Haben zu Beginn noch die klassischen Schnellladepunkte mit 50 -150 kW Leistung erhebliche Anteile gehabt, sind jetzt die Ultraschnellladepunkte mit 150 bis über 300kW Leistung die dominierende Größe im Markt und setzen den Standard. An fast 10.000 der 13.000 Ladepunkte ist man somit in der Zeit einer

Kaffee- und Toilettenpause wieder für mehrere 100 km Reichweite versorgt. Von vermehrten Stromausfällen in den Aufstellorten ist übrigens nichts bekannt geworden. Für irgendetwas scheint der bürokratische Aufwand mit den Netzversorgern dann doch gut zu sein. Klar ist jedoch, dass die Stromnetzentwicklung in diesem weiter dynamischen Umfeld eine parallel zu leistende weitere Aufgabe bleibt. Das Smart Grid darf kein bloßes Schlagwort bleiben.

Wenn wir auf die Anteile der Branchen schauen, dann merken wir, dass sich die Tankstellenbranche insgesamt noch sehr schwer tut. Die Ausbauleistung wird im wesentlichen von zwei Konzernen getragen. Andere MÖGs zögern offensichtlich einzusteigen, so verlieren Total Energies und Westfalen einige Plätze. Bei den kleineren Gesellschaften bleibt der Aufbau von Ladesäulen noch eine Ausnahme. Der Autor weiß aber, dass der Programmstart bei einigen Marktteilnehmern unmittelbar bevorsteht oder bereits begonnen wurde. So werden wir in der nächsten Ausgabe der Liste hier sicher Bewegung sehen.

Dass nach wie vor große Sprünge möglich sind, beweisen Firmen wie Citywatt, Mer Germany oder Numbat, die konstant hinzugewinnen. Vor allem letzteres Unternehmen verdient Aufmerksamkeit. So hat das Start-up aus dem Allgäu nicht nur eine interessante Ladelösung im Programm, die einen großen Batteriespeicher mit ebenfalls großen Werbescreens kombiniert, sondern verspricht auch eine Aufstellung ohne Trafo oder Mittelspannungsanschluss. Kooperationen mit hagebau, Norma, tegut oder PM Pfennings Mobility aus unserer Branche lassen aufhorchen. Sollten die Newcomer zudem ihre (unvermeidlichen) technischen Startprobleme schnell in den Griff bekommen, wird wohl bald mehr zu berichten sein. Wir verfolgen diese Entwicklung aufmerksam für Sie.

Liest man übrigens in einer Stellungnahme der VDA-Präsidentin Hildegard Müller aus dem April diesen Jahres nochmal nach, sind die Bauleistungen nicht ansatzweise ausreichend. Sie mahnt eine Quote von 2.200 Ladepunkten pro Monat an, um die Ausbauziele der Bundesregierung erreichen zu können, mithin das 4-fache des jetzigen Tempos. Ungeachtet des Widerspruchs der Cheflobbyistin des BDEW Kerstin Andreae, die nicht die Anzahl, sondern die Leistung der Ladesäulen in den Vordergrund rückt, beharrt die Automobilindustrie auf ihrer Forderung. Das macht vielleicht den Druck auf die Tankstellenbranche verständlich, den die Bundesregierung nun ausüben will. Sie erinnern sich – Tankstellenbetreiber sollen an 80% der Tankstellen das Schaffen von Schnellladeinfrastruktur mit mindestens 150 kW als gesetzliche Pflicht auferlegt bekommen. Ein anachronistischer Plan, denn die Ausbauplanungen der Branche gehen locker darüber hinaus. Anstatt nun empört von Enteignung und Planwirtschaft zu reden, würde das geschickte Verhandeln um weitere Fördergelder und den Abbau von Bürokratie sicher mehr bringen. Die Erfüllung ist durch die Programme der Konzerne ja bereits gesichert. Von den ca. 11.000 Ladesäulen, die die Branche bauen müsste, stehen zwar erst ca. 1.700 im Ladesäulenregister, doch bereits im Advent letzten Jahres berichtete ich, dass allein die drei größten Betreiber in den kommenden 3 Jahren 8.000 Schnelladepunkte aufbauen wollen. Lasst es vier oder fünf Jahre dauern, ist das auch eine Riesenleistung. Wozu also der Stress?

Und doch stimmt es – das Wasserstoffdebakel hat uns gelehrt, dass eine kritische Größe in der Fahrzeugflotte nur zu schaffen ist, wenn die Infrastruktur stimmt. Dass die (deutschen) Automobilhersteller in der Bereitstellung der entsprechenden Fahrzeugmodelle zeitlich auch nicht gerade brillieren, ist keine Entschuldigung zu trödeln.

Wer übrigens glaubt, dass die Elektrofahrzeugbranche nach Streichung der Fördergelder unwiderruflich einbrechen wird, liegt falsch. Der entscheidende Faktor ist nicht ein paar Tausend Euro Förderung oder nicht, sondern die Marktverfügbarkeit vieler verschiedener, in Massenfertigung günstig gefertigter Fahrzeuge, mithin Wettbewerb. Man nennt dies auch den Henry-Ford-Moment und den werden wir in den kommenden Jahren erst noch erleben. Insofern ist das Auslaufen einer Markthochlauf-Förderung nach fast 1,3 Millionen im Markt befindlichen Fahrzeugen staatliche Vernunft, denn das Geld wird auch für andere staatliche Aufgaben dringend gebraucht. Der gerade zu beobachtende Einbruch ist sicher von begrenzter Dauer und auch der schlechten Konjunkturentwicklung geschuldet.

Die Elektromobilität wird in den kommenden Jahren ihren Anteil im Fahrzeugmarkt finden und die Tankstellenunternehmen werden sich die Frage stellen müssen, wie sie ihre Kundschaft halten. Gerade der Verlust kaufkräftiger Kundschaft in der Übergangszeit wird schwer zu kompensieren sein. Haben sich viele Kunden erst einmal an neue Standorte oder Anbieter gewöhnt, sind sie nur schwer zurückzugewinnen. Die großen Player haben ihre Entscheidung bereits getroffen. Wie Sie Ihre Stellung als sicherer Anlaufort der Automobilisten auch künftig verteidigen können und was Sie dabei beachten müssen, erfahren Sie bei uns.

Hierzu der Veranstaltungshinweis:

Steigen Sie ein in die Welt der Elektromobilität mit unserem bewährten Grundwissen-Kurs
Datum:                  Ende Quartal 1 / Anfang Quartal 2 2024
Ort:
                       wird noch bekannt gegeben
Veranstalter:
      FORUM Tankstellen mit WeEnergize
Referenten:
        Torsten Sibinger und Simon Pfennig

Buchung ist ab Januar 2024 möglich.

Im kommenden Jahr  sind zudem weitere Veranstaltungen mit der Artus.Akademie und der UNITI-Akademie geplant.

Herzlichst,  

Ihr

Simon Pfennig

Nachtrag

Wie in der Vergangenheit gilt:

Die gesamte Liste mit meiner Auswertung und Quellen, sowie Grafiken können Sie unter „Anhang zum Artikel“ herunterladen.

Grafiken können unverändert unter Nennung des Urhebers in eigene Werke eingebunden werden.

Ihre Meinung, Fragen oder Wünsche nehme ich wie immer gerne unter  simon.pfennig@forum-ts.de entgegen. Neue Zahlen sind auf der Seite der Bundesnetzagentur seit ca. einer Woche verfügbar, diese arbeite ich Ihnen im Laufe des Januar auf.

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